Rechtsanwalt Peter Schwab

Rechtsanwaltskanzlei Peter Schwab

Sonstige Entscheidungen und Meldungen


Nachfolgend finden Sie eine Zusammenstellung höchstrichterlicher Entscheidungen mit Fundstellen aus allgemein zugänglichen Quellen (Pressemitteilungen, Fachzeitschriften), die Ihr Interesse finden könnten:

Betreuungsrecht:

Betreuung trotz wirksamer Vorsorgevollmacht

(Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.06.2022, Az. XII ZB 85/22):
Steht die Wirksamkeit einer Vorsorgevollmacht fest, kann gleichwohl eine Betreuung erforderlich sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet. Letzteres ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte mangels Befähigung oder wegen erheblicher Bedenken an seiner Redlichkeit als ungeeignet erscheint.



Anwaltsrecht:

In der Regel reicht eine Transportverschlüsselung im anwaltlichen E-Mail-Verkehr

(Verwaltungsgericht Mainz, Urteil vom 17.12.2020 – 1 K 778/19.MZ):
Ein angemessenes Schutzniveau im Sinne des Art. 32 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) ist auch bei Berufsgeheimnisträgern (hier: Rechtsanwälte) grundsätzlich durch Nutzung einer (obligatorischen) Transportverschlüsselung anzunehmen, soweit nicht im Einzelfall besondere Anhaltspunkte für einen erhöhten Schutzbedarf bestehen.
Die Kommunikation mittels transportverschlüsselter E-Mails ist im geschäftlichen Verkehr sozialadäquat und entspricht dem (Mindest-)Stand der Technik.
Pauschal kann (datenschutzrechtlich) nicht allein deshalb von einer besonderen Schutzbedürftigkeit ausgegangen werden, weil eine mandatsbezogene Kommunikation erfolgt.
Eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung kann erforderlich sein, wenn Anhaltspunkte für besonders sensible Daten bestehen oder sonstige Umstände hinzutreten. In Betracht kommt auch die Übersendung einer passwortgeschützten Datei.
Zwischen Anwalt und Mandant ist die Nutzung eines elektronischen oder sonstigen Kommunikationswegs, der mit Risiken für die Vertraulichkeit dieser Kommunikation verbunden ist, jedenfalls dann erlaubt, wenn der Mandant ihr zustimmt. Von einer Zustimmung ist auszugehen, wenn der Mandant diesen Kommunikationsweg vorschlägt oder beginnt und ihn, nachdem der Rechtsanwalt zumindest pauschal und ohne technische Details auf die Risiken hingewiesen hat, fortsetzt (§ 2 Absatz 2 Berufsordnung der Rechtsanältinnen und Rechtsanwälte [BORA]).



Patientenrechte:

Abbruch lebenserhaltender Behandlung auf der Grundlage des Patientenwillens ist nicht strafbar

(BGH, Urteil vom 25.06.2010 – 2 StR 454/09, Pressemitteilung Nr. 129/2010):
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen in Fällen aktueller Einwilligungsunfähigkeit von einem bindenden Patientenwillen auszugehen ist, wurde durch das sog. Patientenverfügungsgesetz mit Wirkung vom 1. September 2009 ausdrücklich geregelt. Hat ein Patient in beweisbarer Form eine verantwortliche Entscheidung zur Frage eines Behandlungsabbruchs getroffen, kann diese bindende Wirkung entfalten, so dass sie eine Rechtfertigung eines Behandlungsabbruchs darstellt. Damit kann die Entscheidung zum Unterlassen weiterer künstlicher Ernährung rechtmäßig sein und die von der Heimleitung angekündigte Wiederaufnahme als rechtswidriger Angriff gegen das Selbstbestimmungsrecht der Patientin gewertet werden. Dies gilt, wie inzwischen § 1901 a Abs. 3 BGB ausdrücklich bestimmt, unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung.
Die Einwilligung der Patientin kann damit nicht nur den Behandlungsabbruch durch bloßes Unterlassen weiterer Ernährung rechtfertigen, sondern auch ein aktives Tun, das der Beendigung oder Verhinderung einer von ihr nicht oder nicht mehr gewollten Behandlung dient. Eine nur an den Äußerlichkeiten von Tun oder Unterlassen orientierte Unterscheidung der straflosen Sterbehilfe vom strafbaren Töten des Patienten wird dem sachlichen Unterschied zwischen der auf eine Lebensbeendigung gerichteten Tötung und Verhaltensweisen nicht gerecht, die dem krankheitsbedingten Sterbenlassen mit Einwilligung des Betroffenen seinen Lauf lassen.

Zulässigkeit der Vertretung bei so genannter Chefarztbehandlung

(BGH, Urteil vom 20.12.2007 – III ZR 144/07, BGH-Pressemitteilung Nr. 196/07):
1. Klauseln in einer formularmäßigen Wahlleistungsvereinbarung, durch die die einem Wahlarzt obliegende Leistung im Fall seiner Verhinderung durch einen Vertreter erbracht werden darf, sind nur wirksam, wenn sie auf die Fälle beschränkt sind, in denen die Verhinderung im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung nicht bereits feststeht und wenn als Vertreter der namentlich benannte ständige ärztliche Vertreter i. S. des § 4 II 3 und 4, § 5 V GOÄ bestimmt ist.
2. Wird eine Stellvertretervereinbarung im Wege der Individualabrede geschlossen, bestehen gegenüber dem Patienten besondere Aufklärungspflichten, bei deren Verletzung dem Honoraranspruch des Wahlarztes der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegensteht.
3. Danach ist der Patient so früh wie möglich über die Verhinderung des Wahlarztes zu unterrichten und ihm das Angebot zu unterbreiten, dass an dessen Stelle ein bestimmter Vertreter zu den vereinbarten Bedingungen die wahlärztlichen Leistungen erbringt. Weiter ist der Patient über die alternative Option zu unterrichten, auf die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen zu verzichten und sich ohne Zuzahlung von dem jeweils diensthabenden Arzt behandeln zu lassen. Ist die jeweilige Maßnahme bis zum Ende der Verhinderung des Wahlarztes verschiebbar, ist dem Patienten auch dies zur Wahl zu stellen.
4. Die Vertretervereinbarung unterliegt der Schriftform.
(amtliche Leitsätze)



Betreuungsrecht/Heimrecht:

Bindung des Betreuers an Wunsch des Betreuten

(BGH, Urteil vom 22.07.2009 – XII ZR 77/06):
Ein Wunsch des Betreuten läuft nicht bereits dann im Sinne des § 1901 Abs. 3 Satz 1 BGB dessen Wohl zuwider, wenn er dem objektiven Interesse des Betreuten widerspricht.
Vielmehr ist ein Wunsch des Betreuten im Grundsatz beachtlich, sofern dessen Erfüllung nicht höherrangige Rechtsgüter des Betreuten gefährden oder seine gesamte Lebens- und Versorgungssituation erheblich verschlechtern würde. Allerdings gilt der Vorrang des Willens des Betreuten nur für solche Wünsche, die Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts des Betreuten sind und sich nicht nur als bloße Zweckmäßigkeitserwägungen darstellen. Beachtlich sind weiter nur solche Wünsche, die nicht Ausdruck der Erkrankung des Betreuten sind und auf der Grundlage ausreichender Tatsachenkenntnis gefasst wurden.

Rückerstattungsanspruch bei ersparter Heimverpflegung

(BGH, Urteil vom 13.12.2007 – III ZR 172/07):
Der zuständige Senat des Bundesgerichtshofs sieht keine Grundlage dafür, dem Bewohner eines Heims das volle Verpflegungsentgelt zu berechnen, wenn er aus Gründen, die mit seiner Lebenssituation zwingend verbunden sind, die normale Verpflegung nicht entgegennehmen kann. Insbesondere hat der Heimbewohner gegen den Heimträger einen Anspruch auf Erstattung ersparter Verpflegungskosten bei Inanspruchnahme von der gesetzlichen Krankenversicherung finanzierter Sondennahrung. Dies gilt auch dann, wenn der Heimträger einem Catering-Unternehmen zur Zahlung des vollen zwischen diesen vereinbarten Entgelts verpflichtet bleibt.



Sozialrecht:

Zur sozialhilferechtlichen Abgrenzung von Einkommen und Vermögen bei Erbfall

(Bundessozialgericht, Urteil vom 08.05.2019 - Az. B 14 AS 15/18 R):
Bezieht ein Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), fließen ihm jedoch die Mittel aus der Erbschaft erst nach einer Unterbrechung der Hilfebedürftigkeit von mindestens einem Kalendermonat während eines neuen SGB II-Leistungsfalls zu, so handelt es sind bei diesen Zahlungen um Vermögen im Sinne des SGB II.

Darlehen von Verwandten - kein Einkommen

(BSG, Urt. v. 17.06.2010, Az.: B 14 AS 46/09 R):
Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass eine Zuwendung von dritter Seite dann, wenn es sich um ein zivilrechtlich wirksam mit einer Rückzahlungspflicht vereinbartes Darlehen handelt, nicht als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist. Dabei sind an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Darlehensvertrages unter Verwandten strenge Anforderungen zu stellen, um eine Darlehensgewährung eindeutig von einer Schenkung oder Unterhaltsleistung abzugrenzen.

Verspätete Abgabe des Antragsformulars für Arbeitslosengeld II führt nicht zur Verwirkung des Anspruchs

(BSG, Urteil vom 28.10.2009 – B 14 AS 56/08 R):
Der Grundsicherungsträger hat darauf hinzuwirken, dass der Antragsteller unverzüglich klare und sachdienliche Anträge stellt und unvollständige Angaben ergänzt. Für den antragstellenden Bürger besteht die Verpflichtung im Verwaltungsverfahren mitzuwirken. Ohne entsprechende Maßnahmen der Verwaltung kann sich diese nicht auf die Verwirkung von Ansprüchen durch eine verspätete Abgabe des Antragsformulars berufen.

Keine Begrenzung der Unterkunftskosten bei Umzug in ein anderes Bundesland

(BSG, Entscheidung vom 01.06.2010 – B 4 AS 60/09 R, Medieninformation Nr. 19/10):
Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat am 1. Juni 2010 im Verfahren B 4 AS 60/09 R entschieden, dass der Beklagte nach einem Umzug aus Bayern zur Übernahme der Kosten der Unterkunft für eine teurere Wohnung in Berlin, deren Mietzins von 300 Euro warm für Berliner Verhältnisse jedoch angemessen ist, verpflichtet ist. § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II findet bei Umzügen, die über die Grenzen des Vergleichsraums im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (siehe Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R) hinausgehen, keine Anwendung. Dies entspricht insbesondere der systematischen Stellung der Vorschrift, denn die Höhe der angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten im Rahmen der abstrakten Angemessenheitsprüfung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II wird ebenfalls im Vergleichsraum, also im "kommunalen Bereich" ermittelt. Zudem besteht auch die Obliegenheit zur Kostensenkung bei unangemessen hohen Unterkunftskosten nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II nur innerhalb dieses Vergleichsraums.

Anspruch auf Arbeitslosengeld nach Kündigung wegen Passivrauchens

(LSG Hessen, Urt. v. 11.10.2006 – L 6 AL 24/05):
Nach dem gegenwärtigen medizinischen Wissensstand können Dosis-Schwellenwerte, bei denen Nichtraucher durch Passivrauch keiner zu vernachlässigenden Gesundheitsgefährdung ausgesetzt sind, nicht angegeben werden. Scheitert die Intervention eines Arbeitnehmers bei seinem Arbeitgeber, am Arbeitsplatz nicht dem Passivrauchen ausgesetzt zu werden, kommt es deshalb weder auf die persönliche Disposition des Arbeitnehmers noch auf die Intensität der Belastung der Atemluft durch Tabakrauch an, wenn nach einer solchen Intervention an einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis durch denjenigen Arbeitnehmer, der sich dem Passivrauchen nicht weiter aussetzen will, nicht mehr festgehalten wird. Bei einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nach einer solchen Intervention bleibt daher bei dieser Fallgestaltung für die Feststellung einer Sperrzeit für den Bezug von Arbeitslosengeld kein Raum.



Arbeitsrecht:

Anordnung von Sonn- und Feiertagsarbeit

(BAG, Urteil vom 15.09.2009 – 9 AZR 757/08):
Dem Arbeitgeber ist es grundsätzlich gestattet, mit seinem Direktionsrecht Sonn- und Feiertagsarbeit anzuordnen, sofern diese im Arbeitsvertrag oder in Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum nicht an Sonn- und Feiertagen beschäftigt wurde. Durch die Anordnung darf aber nicht die wöchentliche Arbeitszeit überschritten werden.



Zivilrecht/Verbraucherrecht:

Widerruf eines Werkvertrags nach erfolgter Kündigung

(BGH, Urteil vom 30.08.2018, Az. VII ZR 243/17):
Der Ausschlusstatbestand für das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312g Absatz 2 Nr. 1 BGB gilt jedenfalls regelmäßig nicht für Werkverträge nach § 631 BGB.
Der Besteller der Werkleistung kann innerhalb der Widerrufsfrist auch einen von ihm zuvor bereits gekündigten Vertrag widerrufen.

Kein erneutes Widerrufsrecht nach kostenpflichtiger Abonnementverlängerung

(EuGH, Urteil vom 05.10.2023 - C-565/22):
Verbrauchern steht nach einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 5. Oktober 2023 bei einem Abonnementvertrag, der anfangs einen kostenlosen Testzeitraum vorsieht und sich, wenn er nicht gekündigt wird, automatisch verlängert, nur ein einziges Mal ein Widerrufsrecht zu.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn bei Abschluss des Abonnements nicht klar, verständlich und ausdrücklich darüber informiert wird, dass das Abonnement nach einem kostenlosen Anfangszeitraum kostenpflichtig wird. In einem solchen Fall besteht ein neuerliches Widerrufsrecht.

BGH stärkt Verbraucherrechte beim Umtausch defekter Geräte

(Urteil vom 26.11.2008 – VIII ZR 200/05, Pressemitteilung Nr. 217/08):
Der Bundesgerichtshof hat die Rechte der Verbraucher beim Umtausch defekter Waren gestärkt. In einem Grundsatzurteil entschied der BGH, dass Kunden kein Nutzungsentgelt zahlen müssen, wenn sie ein mangelhaftes Gerät bis zur Rückgabe an den Verkäufer benutzt haben. Die bisher erhobene Vergütung für den Gebrauch des Gerätes bis zum Umtausch widerspreche europäischem Recht, erklärten die Karlsruher Richter. Mit diesem Spruch hatte eine Klage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen gegen ein Versandhaus endgültig Erfolg. Der Händler hatte von einer Kundin 70 Euro Wertersatz gefordert, weil sie einen defekten Herd nach anderthalb Jahren umtauschte - erst da hatte sie den Fehler entdeckt.
Zuvor hatte bereits der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Rechte von Verbrauchern beim Umtausch schadhafter Produkte gestärkt. Mit Urteil vom 17.04.2008 (Az. C-404/06, NJW 2008, 1433) stellte der Gerichtshof in Luxemburg klar: Geht ein Gerät vor Ablauf der Garantiezeit kaputt, so darf den Kunden beim Umtausch keine Abnutzungsgebühr in Rechnung gestellt werden. Der Verkäufer darf frühestens zwei Jahre nach Lieferung eines vertragswidrigen Verbrauchsguts Wertersatz verlangen. Die deutsche Regelung, wonach der Verkäufer allgemein Anspruch auf Wertersatz habe, verstoße gegen die EU-Richtlinie über Verbrauchsgüter. Schließlich habe die Kundin das Gerät bezahlt und damit ihre vertraglichen Pflichten erfüllt. Dagegen habe das Versandhaus ein Gerät geliefert, das nicht dem vertraglichen Zustand entsprochen habe. Die Folgen dieser Schlechterfüllung müsse das Unternehmen daher auch selbst voll tragen, urteilten die Richter.

Belastung des Verbrauchers mit den Kosten für die Hinsendung der Ware bei einem Fernabsatzgeschäft

(BGH, Urteil vom 07.07.2010 – VIII ZR 268/07, Pressemitteilung Nr. 139/2010):
Im Fall eines Widerrufs eines Fernabsatzvertrages sind die Kosten der Hinsendung der Ware (Versandkostenpauschale) vom Unternehmer zu tragen.

Klage gegen Versicherer auch von zuhause aus möglich

(EuGH, Urteil vom 13.12.2007 – Az.: C-463/06):
Nach einem Unfall im EU-Ausland können Autofahrer auch an ihrem Heimatort gegen die Versicherung des Unfallgegners klagen. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.

Umzug kein Grund für DSL-Kündigung

(BGH, Urteil vom 11.11.2010 – III ZR 57/10, Pressemitteilung Nr. 215/2010):
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Inhaber eines DSL-Anschlusses den Vertrag mit seinem Telekommunikationsunternehmen vor Ablauf der vereinbarten Frist nicht kündigen kann, wenn er an einen Ort umzieht, an dem noch keine DSL-fähigen Leitungen verlegt sind. Der Kläger hatte keinen wichtigen Grund zur Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 oder § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ein solcher Grund besteht grundsätzlich nicht, wenn er aus Vorgängen hergeleitet wird, die dem Einfluss des anderen Vertragspartners entzogen sind und der Interessensphäre des Kündigenden entstammen. Der Kunde, der einen längerfristigen Vertrag über die Erbringung einer Dienstleistung abschließt, trägt grundsätzlich das Risiko, diese aufgrund einer Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse nicht mehr nutzen zu können. Dementsprechend stellt ein Umzug, etwa aus beruflichen oder familiären Gründen, prinzipiell keinen wichtigen Grund für eine Kündigung dar. Hinzu trat im Streitfall, dass die vergleichsweise lange Laufzeit des DSL-Anschlussvertrags die wirtschaftliche "Gegenleistung" des Klägers für einen niedrigen monatlichen Grundpreis war und auch ein Vertragsschluss mit kürzerer Laufzeit oder monatlicher Kündbarkeit zu höheren Kosten möglich gewesen wäre. Zudem amortisierten sich die Investitionen des Unternehmens, das dem Kunden insbesondere die notwendige technische Ausrüstung (Router, WLAN-Stick) zur Verfügung stellte, erst innerhalb des zweiten Vertragsjahrs.



Familienrecht:

Ermittlung des Elternunterhalts

(BGH, Urteil vom 28.07.2010 – XII ZR 140/07):
Verfügt der Unterhaltspflichtige über höhere Einkünfte als sein Ehegatte, ist die Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.07.2010 in der Regel wie folgt zu ermitteln: Von dem Familieneinkommen wird der Familienselbstbehalt in Abzug gebracht. Das verbleibende Einkommen wird um die Haushaltsersparnis vermindert. Die Hälfte des sich ergebenden Betrages kommt zuzüglich des Familienselbstbehalts dem Familienunterhalt zugute. Zu dem so bemessenen individuellen Familienbedarf hat der Unterhaltspflichtige entsprechend dem Verhältnis der Einkünfte der Ehegatten beizutragen. Für den Elternunterhalt kann der Unterhaltspflichtige die Differenz zwischen seinem Einkommen und seinem Anteil am Familienunterhalt einsetzen. (amtlicher Leitsatz) Die Haushaltsersparnis, die bezogen auf das den Familienselbstbehalt übersteigende Familieneinkommen eintritt, ist regelmäßig mit 10 % dieses Mehreinkommens zu bemessen.
Aufwendungen für eine Hausrats- und Haftpflichtversicherung sind auch bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt nicht als vorweg abziehbare Verbindlichkeiten zu behandeln.
Ist der Unterhaltspflichtige vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand getreten, können Aufwendungen für eine zusätzliche Altersversorgung weiterhin abzugsfähig sein.
Rechenbeispiel:
2.000,00 € Einkommen des Pflichtigen + 800,00 € Einkommen des Ehegatten = 2.800,00 € Familieneinkommen, abzüglich 2.450,00 € Familienselbstbehalt (1.400 + 1.050 gem. Düsseldorfer Tabelle) = 350,00 €, abzüglich 35,00 € (10%) Haushaltsersparnis = 315,00 €, davon ½ : 157,50 € + 2.450,00 € Familienselbstbehalt = 2.607,50 € individueller Familienbedarf; Anteil des Pflichtigen (71,43 %): 1.862,54 €, Einkommen des Pflichtigen: 2.000,00 €, abzüglich 1.862,54 € = 137,46 €.

BGH-Urteil zum Vermögensausgleich nach Trennung Unverheirateter

(BGH, Urt. v. 18.08.2008 – XII ZR 179/05, FAZ Nr. 193/08 v. 19.08.2008, S. 4):
Der Bundesgerichtshof hat den finanziellen Ausgleich nach der Beendigung nichtehelicher Lebensgemeinschaften erleichtert. Partner, die während der Beziehung mit wesentliche Beiträgen Vermögenswerte von erheblicher Bedeutung geschaffen haben, können Ausgleichsbegehren nach dem Ende der Beziehung nicht nur dann erheben, wenn ein Partner einen besonderen Rechtsbindungswillen nachweisen kann, wie er etwa zwischen Geschäftsleuten besteht. Für den Ausgleich größerer Zuwendungen, die alltägliche Kosten überschreiten und mit Blick auf das weitere Zusammenleben getätigt werden, kommen künftig Ausgleichsansprüche wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage sowie wegen ungerechtfertigter Bereicherung in Betracht.

Pflege der im Heim lebenden Mutter als Unterhaltsleistung der Tochter

(OLG Oldenburg, Urt. v. 14.01.2010 – 14 UF 134/09):
Betreut ein Kind einen pflegebedürftigen Elternteil, kann es seine Unterhaltspflicht durch die damit in Natur erbrachten Unterhaltsleistungen erfüllen. Daneben besteht dann kein Anspruch auf eine Geldrente. Damit entfällt ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch, der auf den Träger der Sozialhilfe übergehen könnte. Erbringt ein Kind erhebliche Leistungen zur häuslichen Pflege, stellt sich die Inanspruchnahme auf ergänzenden Barunterhalt zugleich als unzumutbare Härte im Sinne von § 94 Absatz 3 Nr. 2 SGB XII dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Leistungsträger durch die familiäre Pflege weitere Leistungen erspart, die das von ihm nach § 64 SGB XII zu zahlende Pflegegeld noch deutlich übersteigen.



Urheberrecht:

Streaming keine unerlaubte Vervielfältigung

(LG Köln, Beschluss vom 24.01.2014 – Az. 209 O 188/13):
Das Streamen urheberrechtlich geschützter Werke stellt keine unerlaubte Vervielfältigung im Sinne von § 16 Urheberrechtsgesetz dar.

Der Kammer zufolge hätte dem Antrag der „The Archive AG“ auf Herausgabe der bestimmten IP-Adressen zuzuordnenden Namen und Anschriften von Kunden der Deutschen Telekom nicht entsprochen werden dürfen. Die Kammer hat die Abweichung von ihrer ursprünglichen Entscheidung damit begründet, dass im Antrag der „The Archive AG“ (Antragstellerin) von Downloads die Rede war, während es sich tatsächlich – wie sich später herausstellte – um den Abruf von Videos auf einer Streaming-Plattform handelte. Ein bloßes Streaming einer Video-Datei bzw. deren Ansehen mittels eines Streams stellt im Gegensatz zum Download nach Auffassung der Kammer aber grundsätzlich noch keinen relevanten rechtswidrigen Verstoß im Sinne des Urheberrechts, insbesondere keine nur dem Urheber erlaubte Vervielfältigung gemäß § 16 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) dar. Da es um Streaming ging, war zudem unklar geblieben, wie das eingesetzte Ermittlungsprogramm in der Lage war, die IP-Adresse desjenigen zu erfassen, der einen Stream von dem Server des Anbieters redtube.com abruft. Auch nach einem Hinweis der Kammer im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hatte die Antragstellerin die Frage unbeantwortet gelassen, wie das Programm in diese zweiseitige Verbindung eindringen konnte.
Die Kammer hat angedeutet, dass ihre Entscheidung auch Bedeutung für ein Beweisverwertungsverbot in einem Hauptsacheprozess (z.B. über die Berechtigung der Abmahnkosten) haben könnte. (Lt. Pressemitteilung vom 27.01.2014 nicht rechtskräftig)



Anwaltsrecht:

Minderung der Anwaltsvergütung wegen Mängel

(OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.10.2011):
Der Auftraggeber eines Rechtsanwalts kann den aus einem Anwaltsdienstvertrag entstandenen anwaltlichen Vergütungsanspruch nicht kraft Gesetzes wegen mangelnder Dienstleistung kürzen, denn das Dienstvertragsrecht kenn keine Gewährleistung.

Unzulässigkeit anwaltlicher Erstberatung in einem Café

(OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.07.2007 – Az.: I-20 U 54/07):
Wegen der Gefahr einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht bei einer anwaltlichen Erstberatung in einem öffentlichen Café hat das Oberlandesgericht Düsseldorf das entsprechende Angebot eines Rechtsanwalts für unzulässig erachtet. Der Rechtsanwalt verletze an einem solchen Ort seine Fürsorgepflichten gegenüber den Rechtsuchenden. Das OLG hielt das unterbreitete Angebot, bei einer Tasse Kaffee zwanglos Rechtsrat zu erhalten, auch deshalb für irreführend, weil insbesondere bei der in rechtlichen Angelegenheiten unerfahrenen Zielgruppe die Vorstellung verbreitet sei, dass es auf jede rechtliche Frage eine einfache und eindeutige Antwort gebe. Dass nicht selten eine differenzierte Betrachtung geboten sei, die eine Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nur nach eingehender Ermittlung des Sachverhalts und Prüfung der Rechtslage zulasse und anschließend eine Abwägung unterschiedlicher Handlungsmöglichkeiten und Vorgehensweisen erfordere, sei zumindest einem größeren Teil der angesprochenen Personen nicht von vornherein bewusst.



Berufsunfähigkeitsversicherung:

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit

(BGH, Urteil vom 14.12.2016 – IV ZR 527/15):
Für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit bleibt auch dann die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit maßgebend, wenn der Versicherte nach dem erstmaligen Eintritt des Versicherungsfalls zunächst einer leidensbedingt eingeschränkten Tätigkeit nachging.

Bei Vereinbarung einer konkreten Verweisungsmöglichkeit begründet die Beendigung der Vergleichstätigkeit erneut eine Leistungspflicht des Versicherers, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen unverändert außerstande ist, der in gesunden Tagen ausgeübten Tätigkeit nachzugehen.

 

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